Wenn wir Informationen zu einem Sachverhalt oder Thema aufnehmen, gewichten wir nicht alle Informationen gleich: Die ersten Informationen, die wir aufnehmen, prägen sich besonders stark ein. Als so genannte Anker beeinflussen diese ersten Informationen, wie wir weitere Informationen beurteilen und in die bereits vorhandenen Informationen unseres Gedächtnisses einordnen. Dieses Phänomen wird durch zwei Effekte beschrieben: den Ankereffekt und den Primär-Effekt.

Der Primär-Effekt basiert auf Informationen unseres Langzeitgedächtnisses und besagt im Grunde nichts anderes als die bekannte Aussage «Der erste Eindruck zählt». Haben wir uns einmal eine Meinung über eine Person oder eine Sache gebildet, werden spätere Erkenntnisse und Erfahrungen von uns häufig so eingeordnet, dass sie diesen Eindruck bestätigen - also in das bereits gebildete Bild passen. Es erfordert einen relativ hohen kognitiven Aufwand, sich von einem einmal gefestigten Bild zu lösen. Je länger und intensiver sich dieses Bild bzw. unsere Vorstellung von etwas eingeprägt hat, desto schwieriger wird es, sich davon zu lösen, auch wenn scheinbar viele Informationen vorliegen, die eine Neubewertung unserer Meinung nahelegen.

Der Ankereffekt hingegen bezieht sich auf Informationen, die sich in unserem Kurzzeitgedächtnis befinden. Er besagt, dass auch beiläufige Informationseinheiten, die wir unmittelbar vor der Schätzung aufgenommen haben und die sich noch im Kurzzeitgedächtnis befinden, unbewusst in die Schätzung einfließen.

In einer Studie von Tversky und Kahneman*1 hatten Versuchspersonen die Aufgabe, ein Glücksrad zu drehen. Das Glücksrad zeigte ihnen eine Zahl zwischen 0 und 100, anschließend sollten die Probanden schätzen, wie viel Prozent der Mitglieder der Vereinten Nationen afrikanische Länder sind. Die Ergebnisse waren verblüffend, denn die Anker, die sie zuvor durch das Drehen des Glücksrads erhalten hatten, beeinflussten die Schätzungen signifikant. Der Mittelwert aller Schätzungen lag bei 45%. Der Mittelwert der Schätzungen von Personen, die zuvor eine Zahl von 10 oder weniger am Glücksrad gedreht hatten, lag jedoch nur bei 25%.

Wie kommt es zu diesen Verzerrungen?

Beim Ankereffekt werden durch das Drehen des Glücksrads und das Erhalten der Zufallszahl Gedächtnisinhalte aktiviert. Diese werden dann in leicht abrufbaren Bereichen des Erinnerungsvermögens gespeichert. Diese Informationen in diesen Arealen werden dann unbewusst bevorzugt zur Lösung von Aufgaben verwendet, auch von solchen, die mit der ursprünglichen Aufgabe nichts zu tun haben.

Beim Primär-Effekt, der sich sowohl im Bestätigungsfehler als auch im Seriellen Positionseffekt manifestiert, ist vor allem die Tendenz unseres Gehirns verantwortlich, Informationen möglichst effizient zu verarbeiten, um Entscheidungen zu erleichtern und die wahrgenommene Welt überschaubarer zu machen.

Praktische Bedeutung

Anker können in Verhandlungssituationen eine entscheidende Rolle spielen. So hängt beispielsweise die subjektive Einschätzung von Verlust oder Gewinn häufig vom ersten Angebot ab, das den weiteren Verhandlungsprozess massgeblich beeinflusst. So bieten Verkäufer und Online-Shops Produkte gerne zunächst teuer an, um sie dann deutlich zu reduzieren, so dass der Eindruck entsteht, der Preis sei nun extrem günstig.

Auch Experten sind nicht völlig frei vom Ankereffekt. Studien belegen, dass Richter, Gutachter und Geschworene in der Vergangenheit dadurch massiv manipuliert wurden.

Einfluss auf die User Experience

stark

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