Der Komplexitäts-Bias beschreibt das Phänomen, dass Menschen komplexe Erklärungen oder Lösungen intuitiv als überzeugender und überlegender einstufen als eine einfachere Alternative. Anscheinend vermittelt ein komplizierter Ansatz das Gefühl, dass man nichts «übersehen» hat. In der Folge wird eine schlichte, aber möglicherweise effizientere Lösung mitunter unterschätzt oder sogar verworfen. Personen, die in der Lage sind, sich sprachlich kompliziert auszudrücken, wird mehr Kompetenz zugeschrieben, als jemandem, der kurz und bündig eine einfache Lösung vorschlägt.
So neigen wir auch dazu, eine größere Auswahl als «qualitativer» zu bewerten, was zu einer verzerrten Wahrnehmung von Effizienz führen kann. Dieser Bias kann in Bereichen wie Produktdesign, Marketing und Strategie zu unnötig aufwendigen Prozessen führen, obwohl eine einfache Vorgehensweise oft produktiver wäre. So fand Jacob Nielsen heraus, dass Usability-Studien nicht unnötig gross sein müssen, um alle Probleme zu identifizerien. Ab etwa fünf bis acht Testpersonen liefert die Erhebung die meisten wichtigen Usability-Probleme, während zusätzliche Teilnehmer häufig nur bekannte Probleme in ähnlicher Häufigkeit wiederholen, ohne signifikante neue Einsichten zu bringen. (Vgl. Nielsen, J. (2000). Why You Only Need to Test with 5 Users, Nielsen Norman Group)
Ursprung
Dieser Bias ist eng verwandt mit anderen kognitiven Verzerrungen wie dem Verfügbarkeits-Effekt, dem Halo-Effekt und dem Dunning-Kruger-Effekt und wurde in mehreren psychologischen Arbeiten analysiert, darunter die Arbeiten von Tversky und Kahneman.
- Kahneman, D. (2011). Thinking, Fast and Slow. New York: Farrar, Straus and Giroux.
- Farnam Street (2020). Complexity Bias: Why We Prefer Complicated to Simple
Praktische Anwendung im UX- und UI-Design
Die Beachtung des Komplexitäts-Bias ist auch im UX- und UI-Design nicht ganz irrelevant. So können extrem minimalistische Lösungen bei Zielgruppen, die ein besonders spezialisiertes Produkt erwarten, als unzureichend oder gar unprofessionell wahrgenommen werden, da ihnen die nötige Komplexität und Detailtiefe fehlt, um den spezifischen Bedürfnissen gerecht zu werden. In diesen Fällen ist es entscheidend, die richtige Balance zwischen Einfachheit und Detailtiefe zu finden, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass essentielle Funktionen oder Informationen weggelassen wurden.
Einfluss auf die User Experience
erheblichWeiterführende Informationen
- Complexity Bias: Why We Prefer Complicated to Simple - fs.blog/complexity-bias